Learn To Fly Here!UL-Fluglehrer

Tablets und Smartphones im Cockpit - Teil 2

Zum ersten Blogbeitrag über die Verwendung von Tablets und Smartphones im Cockpit gab es einige Fragen. Eine sehr gute Frage kommt von einem ehemaligen Flugschüler aus meiner „Lützelindener Zeit“, welche ich in meinem heutigen Blogbeitrag aufgreifen und als Fortsetzung - quasi als Teil II - hier beantworten möchte.

„Die neueren Phones und Tablets von Apple haben mittlerweile ein Barometer integriert und zumindest ANP greift auf die Daten zurück. Denkst du das solch ein Ansatz die Genauigkeit von Höhe und Geschwindigkeit deutlich verbessert?“


Im Grunde ja, doch führt uns das zu der Frage, wie Tablets und Smartphones den Luftdruck messen? Die Antwort hier ist einfach: Gar nicht!

Ja, richtig gelesen. Alle Consumer-Geräte „messen“ keinen Luftdruck sondern berechnen diesen indirekt zusammen mit der Temperatur anhand einer Widerstandsveränderung. Und das funktioniert für die meisten „normalen“ Anwendungsfälle wie Wandern oder Joggen erstaunlich präzise. Sogar das Treppensteigen von einer Etage in die andere wird erkannt.

Die entsprechenden Drucksensoren gibt es im Embedded Bereich für jeden käuflich zu erwerben und wer gerne mit Raspberry Pi Single-Board Computern bastelt und programmiert, wird diese bestimmt schon einmal in den Händen gehalten haben. Ich stelle hier exemplarisch den BOSCH BMP085 Sensor vor, da ich zu diesem eine sehr gute technische Dokumentation vorliegen habe. Andere - neuere - Sensoren arbeiten nach dem gleichen Funktionsprinzip und es sind keine wesentlich abweichenden Informationen in deren Dokumentation anzutreffen. Im Apple iPhone6 arbeitet beispielsweise ein Bosch BMP280.

In den nachfolgenden Screenshots wird die Herleitung von Temperatur und Luftdruck aus den Registern verdeutlicht:


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Was mathematisch klappt und im Smartphone in der Hand funktioniert, führt in der praktischen Anwendung mitunter zu Problemen. Hier hilft ein Blick in die Modellbau- und ganz besonders in die Multicopter-Szene, wo es ohne digitale Steuerelektronik inklusive den funktionsgleichen barometrischen Luftdrucksensoren kaum noch geht. Der Hersteller DJI setzt beispielsweise auf ein NAZA Board, welches für die Ausrichtung eines Multicopters im Raum verantwortlich ist. Das klappt in vielen Fällen sehr gut, sogar bei starken Winden. Das kann manchmal aber auch daneben gehen, wie in zahlreichen Videos und Forenbeiträgen zu lesen ist. Hier ein Video, wo eine Drohne ohne erkennbaren Grund ständig Ihre Höhe ändert und einen Drohnenpiloten zum Eingriff zwingt.

Dieser Zusatz steht mit Sicherheit nicht gänzlich ohne Grund in der technischen Dokumentation des Sensors:

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Qualifiziert diese indirekte Art der Luftdruckmessung solche „Consumer“ Geräte nun zu einem Instrument in einem Flugzeug? Sind dessen Angaben verlässlicher? Ich will an dieser Stelle nicht gläubiger als der Papst sein. Selbstverständlich nutze ich mein iPad im Kniebrett als Backup und Hilfsmittel zur Navigation und finde das vollkommen in Ordnung solange dies mit der gebotenen Aufmerksamkeit und Gelassenheit geschieht.

Aufpassen sollte man bei blinden Vertrauen oder in Situationen, wo man ohne Plan B alternativlos auf diese digitalen Helferlein angewiesen ist. Das schließt im Grunde auch die fest installierten Instrumente eines Glascockpits mit ein. Mir persönlich sind diese schon öfters während eines Fluges ausgestiegen. Einen Fall habe ich letztes Jahr im Blog beschrieben. Nachfolgend zwei Aufnahmen eines normalerweise sehr zuverlässigen Dynon D60 EFIS:

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Das Instrument ist dann eben für eine gewisse Zeit (oder dauerhaft) nicht mehr verfügbar. An sich kein Grund zur Sorge. Im ersten Bild ist der eingebaute Gyro „aus dem Tritt“ geraten im zweiten Bild ist die Verbindung zur externen GPS Maus mit Kompass gestört. Dann geht es eben auf klassische Art und Weise mit dem analogen „Schnapskompass“ weiter.

Wenn nun ein Pilot ohne Systemkenntnis aus seiner Komfortzone geweckt wird und beginnt während des Fluges seine ganze Aufmerksamkeit der Problemlösung zu widmen, dann sollten die Alarmglocken laut klingeln. Stichwort ANC Regel: immer zuerst die Maschine fliegen! Besonders tückisch ist es es, wenn ein Display ohne Fehlermeldungen einfriert. Im Reiseflug bleibt sowas zunächst unentdeckt und man fliegt eine längere Zeit erstmal weiter. Das gibt’s nicht? Leider doch. Erschwerender Umstand: Ein Reboot eins fest eingebauten EFIS Gerätes ist meist aufgrund einer Backup-Batterieversorgung nicht „mal eben“ möglich.

Aus diesem Grund kann es nur empfehlenswert sein, ab und zu auch mal bewusst „kalt“ zu fliegen - sprich mit ausgeschalteten Displays und digitalen Helferlein. Die Betriebsparameter, Systemmeldungen und Problemlösungsverfahren sollten bekannt sein und können beispielsweise im Rahmen einer EFIS-Einweisung antrainiert werden.


In diesem Sinne,
fliegt immer safe!

Tomas Jakobs