Learn To Fly Here!UL-Fluglehrer

Fallschirmsprung aus UL

Alle Jahre wieder steht das Flugplatzfest im schönen Oeventrop an. Und da ich dieses Jahr mit dem Abwurf eines Fallschirmspringer Bestandteil des Displays war, gebe ich heute einen Einblick in Planung und Durchführung. Viel Spaß beim Lesen!


1. Wo kann abgesetzt/ gesprungen werden?

Grundsätzlich kann in jeder Sprungzone nach Erteilung einer Flugverkehrskontrollfreigabe gem LuftVO §16a gesprungen werden. Das entsprechende Formular und die Vorgaben lassen sich in der AIP im Abschnitt ENR 1-63 wiederfinden. Die dazu gehörige NfL1-59-07 ist aus dem Jahr 2007. Zur Vermeidung einer Ablehnung im vereinfachten Verfahren oder bei der erstmaligen Nutzung einer Sprungzone wird dem Piloten empfohlen vorher telefonisch Kontakt mit CENTER aufzunehmen (AIP ENR 1-65 3.10).

Für das Flugplatzfest in Oeventrop, wurde im Zuge des Genehmigungsverfahren eine extra Sprungzone neu eingerichtet und per NOTAM veröffentlich.

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Dafür holte der RP ein DFS-Gutachten (genauer: eine gutachterliche Stellungnahme) und erteilte die Genehmigung unter Berücksichtigung der Platzverhältnisse und des Flugprogrammes mit 3 Bedingungen, 17 Auflagen und 3 Hinweisen, die de fakto als Auflagen zu verstehen sind. Klingt jetzt kompliziert, ist es aber nicht. Die für einen selbst relevanten Punkte sind schnell markiert. Die meisten von uns waren nicht das erste Mal in Oeventrop und kennen als "alte Hasen" sowohl den Platz als auch die Besonderheiten.

Da die C42 CS als Absetz-UL mit 2 Personen und 15 Litern Sprit selbst bei ausgebauter Seitentüre bedrohlich nahe der 472,5 Grenze kratzt, mußte auch meine Seitentür auf der Pilotenseite ausgebaut werden. Fand ich zwar weniger toll und schreibe deswegen den heutigen Blog mit einer fetten Erkältung. Aber gut, gewisse Opfer an der frischen Luft nahe der Nullgradgrenze müssen eben erbracht werden.

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2. Wer darf absetzen, wer springen?

Voraussetzung für den Absetzpiloten sind mindestens 100 Flugstunden sowie ein Sprechfunkzeugnis. Ich empfehle gute Englischkenntnisse und Erfahrung im Umgang mit Radarlotsen. Ein DFS Lotse hat einmal während eines Vortrages im Scherz gesagt: Will man einen Lotsen zum Stottern bringen, dann bedarf es dazu auf RADAR nur etwas in deutsch hineinzurufen.

Auf der Fallschirmspringerseite sollten mindestens 100 Sprünge auf der Uhr stehen, davon mindestens 12 Stück in den letzten 12 Monaten.

Speziell für die Durchführung des Fallschirmsprunges im Rahmen einer Luftfahrtveranstaltung galt es zusätzlich die NfL1-1170-17 zu berücksichtigen, die ganz frisch erst Ende 2017 veröffentlicht wurde. In der Anlage 4 müssen Absetzpilot und Fallschirmspringer eine Selbsterklärung abgeben und den Nachweis Ihrer Eignung anhand Flugbuch/ Sprungbuch dokumentieren.


3. Welche Vorkehrungen sind am UL zu treffen?

Das Naheliegende: Der Motor sollte vorne befestigt sein und der Ausbau der Türen sollte im Kennblatt des verwendeten Musters zugelassen sein. Die damit einhergehenden Einschränkungen im Flugverhalten können aus dem Betriebshandbuch entnommen werden. Bei einer C42 sind diese übersichtlich:

1) Nicht mehr wie 150 km/h IAS
2) Keine Slips/ Seitengleitflüge

Alle losen Gegenstände sind aus dem Innenraum zu entfernen. Dazu zählen Teppiche, Polster und Taschen aber auch etwaige Saugnäpfe oder sonstige „Klapperkonstruktionen“ im Panel (Stichwort: Steriles Cockpit). Das Betriebshandbuch der C42 nennt zusätzlich:

3) der Fallschirmspringer ist mindestens mit dem Bauchgurt zu sichern
4) es muß jederzeit eine Kommunikation zwischen Pilot und Springer möglich sein
5) Absprache zwischen Pilot und Springer

Auf einer vom DAeC herausgegebenen Checkliste sind noch folgende Punkte zu finden:

6) Keine Fallschirmsysteme mit Brustreserve.
7) Keine automatischen Fallschirmauslösesysteme (dazu im nächsten Abschnitt mehr).


4. Absprache zwischen Pilot und Springer

An dem eher ruhigeren Samstag vor dem Haupttag der Luftfahrtveranstaltung haben wir uns in Ruhe an der Maschine zusammengesetzt. Wir beide in voller Montur, mein Fallschirmspringer mit Helm und Suit, ich mit genau der Bekleidung, die ich beim Absetzflug tragen würde. Im Trockentraining wurden Abläufe, Griffe und Handzeichen besprochen und sich verständigt.

So muß der Fallschirmspringer wissen, wo er sich bei Ausstieg abstützen und festhalten kann. Auf der anderen Seite muß der Pilot wissen, welche Bewegungen normal sind, und wo etwas beginnt, abnormal zu werden. Etwas kniffelig wurde es bei der Handhabung des Gurtes, das vom Piloten hinter dem Rücken des Springers mit der rechten Hand nach innen gezogen und festgehalten wird, damit es nicht beim Sprung mit nach Außen gezogen wird oder gar der Fallschirmspringer mit seinem Wingsuit sich daran verheddert.

Auch der Abbruch will trainiert sein. Wir haben uns auf ein „auf die Schulter fassen“ als Abbruchsignal geeinigt. Was Sinn macht, wenn der Springer mit beiden Beinen draussen sich aus dem Sitz gedreht und abgewendet hat. Wiedereinstieg, als auch das Gurtanlegen sind für beide kein einfaches Unterfangen. wenn es zugleich gilt, die Maschine straight und level zu halten.

Spätestens hier stellt sich die Frage, wie um Himmels Willen die obige DAeC Checkliste auf die Empfehlung kommt, keine automatischen Auslösesysteme zu verwenden. Zumal ich dazu nirgends eine Norm gefunden habe. Daß es da einen bekannten Unfall mit einem mitgeflogenen und im Landeanflug herausgezogenen Passagier gab, ist bekannt. Dem Fallschirmspringer zuzumuten, auf sein Cypres zu verzichten fragwürdig, gerade wenn er sich aus einer beengten Kabine zwischen Streben herauswinden muß.

Nach Abwägung der Risks und Benefits haben wir uns darauf verständigt, im Falle eines Wiedereinstieges nicht mit einer zu starken Rate zu sinken. Ausweichflugplatz in diesem Falle ist der nur wenige Minuten entfernte Nachbarflugplatz Meschede-Schüren, der im Gegensatz zu Oeventrop einen deutlich flacheren Anflug und eine längere Piste bietet.

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5. Durchführung

Was die Flugdurchführung betrifft lautet die einzige Vorgabe gem. NfL1 59-07 Transpondercode 0025 zu setzen und nach dem Start FIS zu rufen. In den Auflagen des RP stand der kurze Weg, sich direkt bei RADAR zu melden, den wir doch gerne gegangen sind. Beim ersten Flug wurde noch von Seiten des Lotsen nachgefragt, welches FL erwünscht ist, bei den nachfolgenden Flügen wusste der/die Lotsin bereits Bescheid und das Funken reduzierte sich auf die das Melden, das „REQUEST DROPPING", "APPROVED“ und „(LAST) JUMPER OUT“ bzw. auf Traffic Hinweise.

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Und auch wenn ich während des Fluges per Dualwatch sowohl Flugplatz als auch RADAR abhörte, war mehrmals notwendig zwischen den beiden Fequenzen hin und her zu springen, um den Fallschirmsprung anzukündigen. Meine persönliche Checkliste ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit:

START

- SQUAWK 0025
- Dualwatch RADAR 125.225, OEVENTROP 124.005
- After Start establish Radio Contact with RADAR

JUMP

- CALLOUT Oeventrop DROP IN 3 MINUTES
- Request LANGEN RADAR for DROPPING
- FLAPS 1, SPEED 90-110 km/h
- DROPPING APPROVED
- CALLOUT RADAR „(LAST) JUMPER OUT“
- CONTINUE LEVEL FLIGHT 1 MIN
- SECURE Equipment

DECENT OUTSIDE PJE and BOXES (2 NM)


Mitunter kniffelig hat sich die Koordination des Fallschirmsprungs mit den übrigen Displays in den beiden Kunstflugboxen erwiesen. Feste Zeiten und Slots sind zwar gut, laufen im Verlauf eines Flugplatzfestes erfahrungsgemäß regelmäßig aus dem Zeitrahmen wenn z.B. eine Piste gedreht und bestimmte Luftsportaktivitäten wie Modellflug oder Fallschirmsprung ausgeschaltete Motoren am Boden erforderlich machen. Dazwischen immer wieder an- und abfliegende Rundflüge, F-Schlepps, Segelflug- und Motorflug-Displays.

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6. Re-Briefing

Nach unserem ersten Sprung haben wir eine kurze Nachbesprechung geführt. Diese wird nicht nur empfohlen, sondern ergibt sich zwangsläufig, weil ich natürlich wissen wollte, wie es für meinen ehemaligen Passagier so war. Schliesslich hat man im UL nicht alle Tage einen Gast, der einen intakten Flieger vorzeitig und fluchtartig verlässt. An mir soll es nicht gelegen haben, das wurde mir ausdrücklich versichert ;-)

Nach 2-3 Lifts waren die Abläufe bei bei uns beiden ganz gut verfestigt und ich habe eine optimale Aufstiegsroute/ Timing gefunden. Von anfangs 10 Minuten für Aufstieg auf FL60 und etwa 20 Minuten Gesamtflugzeit konnte ich einen Lift im Verlauf des Tages auf nur 7 Minuten bei einer Gesamtflugzeit von ca. 15 Minuten reduzieren. Natürlich immer davon abhängig, wieviele Warteschleifen zur Koordination mit dem Programm eingelegt werden mussten.

Wir hatten auf jeden Fall viel Spaß. Wiedereinmal hat sich eine C42 als ideales "Arbeitsgerät" für einen Verein erwiesen. Kaum bin ich mit einem UL und Schleppkupplung am Platz, stehen alle Segler die sonst auf ULs schimpfen Spalier und wollen geschleppt werden.

Fly safe!
Euer Tomas Jakobs


Update 23.09.2018:

Ein Pilotenkollege hat Feedback (Vielen Dank Sebastian) zu dem Punkt "automatischer Auslösung" der DAeC Liste gegeben, die ich zur Richtigstellung wiedergebe.

Auf der DAeC-Checkliste ist unter "4.“ hinter automatischer Auslösung noch das Wort Aufziehleine in Klammern. Mit automatischer Auslösung ist in diesem Zusammenhang NICHT das Cypres gemeint, sondern das Nutzen einer Aufziehleine, die am Flugzeug eingehakt ist und beim Absprung den Schirm für den Springer aus dem Gurtzeug zieht. Im Absetzbetrieb mit E-Fliegern ist bei Automatikauslösungen immer neben dem Piloten ein Absetzen an Bord, der die Absprünge beobachtet, die Aufziehleinen anschließend wieder einholt und bei Öffnungsstörungen die Aufziehleine auch kappen kann. Das ist zum Beispiel nötig, wenn sich der Schirm nicht öffnet und der Springer noch am Flugzeug hängt. Ohne Absetzer müsste der Pilot das alles alleine machen, was wahrscheinlich direkt ins Desaster führen würde. Wenn ich aus einer C182 abgesetzt habe, war das immer mein größtes Horror-Szenario.