Verantwortung als Halter
Weil das Zitieren von Gesetzestexten ohne Bezug zu einem realen Fall nur wenig erquickend ist, habe ich einen Flugunfall aus dem Jahr 2006 gefunden, wo der BFU-Bericht 3X031-1-2/06 zusammen mit der Urteilsbegründung des OLG Bambergs (Aktenzeichen 5 U 62/13) ein ziemlich klares Bild abgibt, wo die Grenzen der Verantwortung für einen Halter gezogen werden.
Ausgangssituation
Eine mit drei Personen besetzte Cessna C172 und ein mit 2 Personen besetzter Motorsegler Grob G-107 waren am 07. Mai 2006 unterwegs zum Flugplatz Aschaffenburg EDFC. Während es für die Cessna aus Reichelsheim quasi nur ein Schulungsflug zum Nachbarplatz war, befand sich der Motorsegler aus Siegen kommend bereits 2 Stunden in der Luft.
Pilot-In-Command der Cessna war der rechtssitzende Fluglehrer mit 2308 Stunden, davon ca. 500 auf dem verwendeten Muster. Auf dem Pilotensitz saß sein Flugschüler mit 33 Stunden. Im Fond saß ein mitreisender Fluggast.
Die Rollenverteilung im Motorsegler war diffuser, da es sich um zwei gleich lizensierte Piloten handelte. Der auf dem Sitz des verantwortlichen Luftfahrzeugführers sitzende Pilot hatte 376 Stunden, davon 46 Stunden auf dem geflogenen Muster. Daneben saß ein Pilot mit nur 90 Stunden Erfahrung gesammelt über 5 Jahre. Ein Nebenschauplatz der juristischen Aufarbeitung war folglich die Frage in wie weit die angefallene Arbeit von den beiden Piloten untereinander aufgeteilt wurde. Eine noch in der Hand des rechts sitzenden Piloten aufgefundene Karte, ließ durchaus die Vermutung zu, daß der links Sitzende zwar geflogen, die Navigation jedoch vom rechts Sitzenden erfolgte. Für das Gericht jedoch am Ende irrelevant, da es sich um eine „Single-hand“ Maschine handelte, die ohne ein im Flughandbuch ausgewiesenes Crew-Prinzip geflogen wurde. Auch wenn eine Arbeitsteilung möglicherweise stattgefunden habe, so trägt weiterhin immer der verantwortliche Pilot die alleinige Verantwortung.
Beide Maschinen erreichten den Platz aus unterschiedlichen Richtungen und in unterschiedlichen Höhen: Die Cessna von Norden in der vorgeschriebenen Platzrundenhöhe von 1400 Fuß auf Höhe des Einflugpunktes, der Motorsegler aus West-Süd-West in etwa 1100 Fuß. Im linken Queranflug zur Piste 08 kollidierten beide miteinander. Konnte die Cessna beschädigt und mit einem leicht verletzten Passagier den Anflug fortsetzen, stürzte der Motorsegler über einem Waldgebiet ab.
Der detaillierte Unfallhergang kann aus dem BFU Unfallbericht entnommen werden. Dieser kommt in seiner Schlußfolgerung zu dieser Aussage:
„Der Flugunfall ist darauf zurückzuführen, dass die Piloten das jeweils andere Luftfahrzeug bzw. die Kollisionsgefahr nicht oder zu spät erkannten.“
Nicht erfolgte Luftraumbeobachtung
Die Gerichte sind dieser gegenseitigen Fahrlässigkeit in der Luftraumbeobachtung nicht gefolgt. Vielmehr könne von einem in der Platzrunde und im Landeanflug befindlichen Piloten eben kein „jegliche Gefahr vermeinendes Verhalten“ abverlangt werden. Entscheidend hier ist der sachgerechte Umgang mit der Gefahr. Eine besondere Pflicht zur „extremen Ausschau“, die nur unter Zurückstellung anderer notwendiger Überwachungskriterien der Maschine und des Flugschülers möglich gewesen wäre, besteht in diesem Fall nicht wobei das Gericht dieses immer auf den Einzelfall bezieht:
„Für das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Luftraumbeobachtung kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.“
Der Motorsegler befand sich nicht in der Platzrunde und hat sich gem. dem damals gültigen §22 LuftVO aus dem Platzrundenverkehr herauszuhalten. Heute ist diese Regelung durch die gleichlautende Norm SERA.3225 ersetzt:
Operation on and in the vicinity of an aerodrome:
An aircraft operated on or in the vicinity of an aerodrome shall:
(a) observe other aerodrome traffic for the purpose of avoiding collision;
(b) conform with or avoid the pattern of traffic formed by other aircraft in operation;
Positionsmeldungen in der Platzrunde
In einem weiteren juristischen Nebenschauplatz wurde dem Fluglehrer und PIC der Cessna der Vorwurf gemacht, seinen Queranflug nicht im Funk angekündigt zu haben. Es wird zwar empfohlen an klar bestimmte Positionen Meldung zu machen, eine gesetzliche Verpflichtung dazu existiert jedoch nicht.
Genauigkeit einer Platzrunde
Weiterer Nebenschauplatz war die Klärung der Frage ob die Cessna Ihr Vorflugrecht durch einen um ca. 500 Meter versetzen Abstand zur veröffentlichten Platzrunde verwirkt hat. Dieses wurde vom Gericht klar verneint. Eine Maschine befindet sich für alle Beteiligten „in der Platzrunde“ unabhängig von der Frage ob der Flugweg deckungsgleich mit den Angaben in der AIP ist. Eine Orientierung innerhalb der Platzrunde nach Sichtmerkmalen - hier dem östlichen Ortsrand von Ringheim - ist plausibel und unterliegt naturgemäß einer gewissen Ungenauigkeit.
Überlegungen zum Flugweg
Hingegen erfolgte von Seiten des Motorfliegers außer der Ankündigung seiner Landeabsicht aus 12 km Entfernung keine weitere Information über seinen beabsichtigen Flugweg. Aus seiner Position heraus boten sich gleich mehrere Optionen an: Entweder weiter nördlich oder südlich um den Platz herum oder - Einflugpunkt hin oder her - einen Direktanflug auf die Piste 08.
Denn bedenkt man die niedrige Ausgangshöhe und den Umstand, daß man einen Weg zwischen zwei Platzrunden - Aschaffenburg (1400 Fuß) und Babenhausen (1200 Fuß) hätte kreuzen müssen, zusätzlich durch den Frankfurter Charlie-Deckel in 3500 Fuß von oben eingeschränkt ist, dann erscheint ein Direktanflug mit der Sonne im Rücken durchaus als die bessere Option, sofern diese mit der im Anflug befindlichen Cessna kommuniziert worden wäre.
Der Pilot des Motorseglers hat aber niemanden über seine Entscheidungen und Absichten informiert und versuchte offenbar zielfixiert den Einflugpunkt erreichen zu wollen. In der Urteilsbegründung des OLG Bamberg ist dazu nachzulesen:
„Der Motorsegler habe sich „wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn“ auf Gegenkurs zur dann im Queranflug befindlichen Cessna begeben.“
Es stellen sich aber auch berechtigte Einwände nach dem sprichwörtlichen „Good Airmanship“ des Cessna Piloten. Auch er wußte von einem Motorsegler, der zum Platz wollte. Auch oder gerade weil dessen Positionsangaben ungenau waren hätte er aktiv nachfragen können „Wo bist Du“ auch dann, wenn er luftrechtlich dazu nicht verpflichtet war.
An dieser Stelle der Verweis auf die sehr gute Website fliegermail.de von Eike Damer.
Der Halter haftet immer
Kommen wir nun zur eigentlichen Ausgangsfrage nach der Verantwortung des Halters. Der Fluglehrer ist in diesem Fallbeispiel gleichzeitig auch Halter der Cessna. Er ist zunächst gem. §33, Absatz 1 LuftVG:
„Wird beim Betrieb eines Luftfahrzeugs durch Unfall jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter des Luftfahrzeugs verpflichtet, den Schaden zu ersetzen.“
sowie gem §823, Absatz 1 BGB zur Zahlung verpflichtet:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Nach Außen haftet der Halter als Verantwortlicher der Gefährdungshaftung entsprechend §840, Absatz 1 BGB als Gesamtschuldner:
„Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.“
Es besteht keine Entlastungsmöglichkeit und gem. §43, Absatz 2 LuftVG die Verpflichtung, entsprechende Mindestsummen zu versichern:
„Der Halter eines Luftfahrzeugs ist verpflichtet, zur Deckung seiner Haftung auf Schadensersatz nach diesem Unterabschnitt eine Haftpflichtversicherung in einer durch Rechtsverordnung zu bestimmenden Höhe zu unterhalten“
Die Höhe der Ersatzpflicht ist in §37, Absatz 1 LuftVG nach der Höchstflugmasse bemessen und begrenzt. Im Falle der Cessna mit einem MTOM von ca. 1100 kg wären das nach Satz c) bis zu 3. Mio SZR. Bei einem ULs mit einer MTOM unter 500 kg nur 750.000 SZR.
Die Abkürzung SZR steht für Sonderziehungsrechte oder auch Rechnungseinheiten. Das ist eine künstliche Währungseinheit des internationalen Währungsfonds (IWF) aus einem Währungskorb der wichtigsten Leitwährungen. Der aktuelle Umrechnungskurs wird täglich neu festgesetzt. 1 SZR beträgt derzeit etwa 1,27 EUR (Stand vom 07.01.2016).
Folgt man den Leitsätzen des OLG Bambergs zu diesem Fall, entstehen schnell hohe Summen, wenn neben den Beerdigungs-, Unterhalts- und Rechtsverfolgungskosten auch die Schadensersatzforderungen von Familienmitgliedern hinzukommen:
„Die Ersatzpflicht des Luftfahrzeughalters kann - neben der Verpflichtung zur Erstattung von Beerdigungskosten, des Unterhaltsschadens sowie der notwendigen Rechtsverfolgungskosten - nach den Grundsätzen der „Schockschadens-Rechtsprechung“ auch die Zahlung eines Angehörigen-Schmerzensgeldes erfassen. Hierbei sind die Höchstgrenzen des § 37 LuftVG zu beachten.“
Ausnahme: Beförderte Passagiere
Die Halter-Haftpflicht zahlt dabei nur für Personenschäden außerhalb des Luftfahrzeuges. Mitfliegende Insassen sind nicht versichert. Erst eine Kombination aus Halter-Haftpflicht und Passagier-Haftpflicht, eine sogenannte CSL-Versicherung (Combined Single Limit) deckt beide Risiken mit einer einheitlichen Deckungssumme ab. Für zweisitzige ULs wird eine solche CSL Kombination mit einer Deckungssumme von mindestens 1-2 Mio EUR empfohlen. Wird ein UL für Schulungsflüge eingesetzt, benötigt es zusätzlich noch eine Sitzplatz-Unfallversicherung.
Ausnahme: Fahrlässigkeit
Bei Fahrlässigkeit wird es nun auch im juristischen Sinne gefährlich. Denn nimmt der Halter beispielsweise ein nicht lufttüchtiges Luftfahrzeug in Betrieb oder ermöglicht er es fahrlässig Dritten dieses in Betrieb zu nehmen, so haftet er gemäß §823, Absatz 1 BGB unbegrenzt mit seinem Privatvermögen. Die Umkehrung der Beweislast - der Geschädigte muß dem Halter seine Fahrlässigkeit nachweisen - hilft in diesem Fall nur bedingt, wenn der Halter keine plausible und stichhaltige Belege zu seiner Entlastung vorbringen kann.
Wie eingangs über Haltergemeinschaften geschrieben: Wenn es unter mehreren Haltern eines Flugzeuges zum Beispiel keine schriftlich fixierten Absprachen gegeben hat, so steht man möglicherweise am Ende mit nichts in der Hand da, wenn der andere trotzdem eingestiegen, gestartet und verunglückt ist, obwohl man sich beispielsweise kurz zuvor mündlich geeinigt hat, die Maschine zur Wartung im Hangar zu lassen. Eine Erbengemeinschaft wird davon später nichts wissen können und auch wollen.
Zusammenfassung
Halter haften erstmal immer. Genau für diesen Zweck gibt es Versicherungen. Wie überall im Luftrecht gilt es Eigenschutz zu betreiben, auch wenn manchmal keine Verpflichtung besteht. Das kann mit einer Nachfrage am Funk beginnen „Wo bist Du?“ und mit dem schriftlichen Abzeichnen von Vereinbarungen in einer Haltegemeinschaft enden. Von Versicherungsmaklern hört man immer wieder die Empfehlung die gesetzliche Mindestdeckungshöhen von 750.000 SZR auf mindestens 1-2 Mio EUR zu erhöhen.
Egal wie, fliegt bitte auch im neuen Jahr 2016 safe,
Euer Tomas Jakobs