Learn To Fly Here!UL-Fluglehrer

Hochfliegende Pläne

Vorgestern brachen ein Freund und ich zu einem gepflegten Ausflug zur Nordsee auf.

Ein Abfliegen der ostfriesischen Inseln von West nach Ost mit gemütlichen Mittagessen auf „Wooge“. Und wenn es zeitlich und wettermäßig passt wollten wir dort entscheiden, ob nicht noch ein Sprung rüber nach Helgoland möglich ist. Hochfliegende Pläne und nach etlichen Nordseeflügen in den vergangen Jahren fast schon sowas wie Routine, wenn da nicht ein Faktor wäre, der jeden Flug einzigartig werden lässt: Das Wetter.

Denn die Vorhersagen waren kurz vor Abflug nicht wirklich eindeutig. Während DWD und GAFOR noch Delta mit Tendenz zum Besseren meldeten, kündigten die Meteogramme von Meteoblue auf windyty.com gegen Mittag eine Verschlechterung an. Und gerade auf den Nordseeinseln hat der aufziehende Seenebel schon öfters für so manche unfreiwillige Übernachtung gesorgt.

Ein Blick auf die beiden Webcams auf der Homepage des Flugplatzes Wangerooge bestätigte eine durchwachsene aber durchaus noch fliegbare Sicht. Ein kurzer Anruf beim freundlichen Türmer: Sichten aktuell Delta und schwer zu sagen wie es sich entwickelt. Trotz Mittagsruhe von 12-15 Uhr können anfliegende Maschinen noch bis 13 Uhr landen. Okay wir fliegen und werden erst wohl Vor-Ort die Gewissheit bekommen, wie es tatsächlich sein wird.

Der Flugdurchführungsplan sieht vor: Nach Unterfliegen des Dortmunder Luftraumes einen Climb auf FL65 mit Überfliegen des Luftraumes von Münster-Osnabrück. Auf Kartenhöhe der nicht aktiven ED-R 34 B erfolgt der Descent auf EDWF Leer. Dort wird gelandet, aufgetankt und mit aktuellen Wetterinfos entschieden, ob es weiter auf die Nordsee geht oder nicht. Als Alternate zu Leer nehme ich schon seit Jahren ETND Diepholz. Entgegen der militärischen Kennung des Platzes verfügt dieser über einen abgegrenzten, zivilen Bereich und ich durfte da schon öfters Kaffee trinken, nachtanken und auf besseres Wetter warten. Es sollte auch diesmal gut sein, diesen Platz als Alternate gewählt zu haben.

Legs, Waypoints und Alternate

Von FL65 aus konnten wir vor uns im Norden erkennen, wie die klaren Wolkenstrukturen allmählich begannen weicher und konturloser zu werden. Während die Bodensicht jederzeit gewährleistet war, verschlechterte sich unterhalb der Wolkendecke zunehmend die Schrägsicht. Solange wir noch auf FIS andere VFR Inselflieger nördlich von uns hörten, die teilweise sogar von Helgoland Richtung Festland unterwegs waren, hatten wir Hoffnung unseren Flug wie geplant fortsetzen zu können.

Auf FL65

Planmäßig begannen wir mit unserem Abstieg und gelangten sprichwörtlich mit den letzten Wolkenlöchern unter die Wolken, die bei etwa 1700-2000 Fuß Ihre Basis hatten. Für norddeutsche Verhältnisse locker fliegbar wenngleich die Sichtweite rapide von Delta1 auf Delta4 überging. Als ich wenig später zusätzlich die Flughöhe von anfänglich 1500 Fuß auf unter 1000 Fuß absenken musste, war mein persönliches Minimum erreicht. Wir flogen nicht mehr in schwierigen (Delta) sondern bereits in kritischen (Mike) Verhältnissen. Und obwohl so kurz vor dem Flugziel Leer, erfolgte die Entscheidung umzudrehen und mit den vorhanden großzügigen Reserven an Treibstoff das Alternate Diepholz anzufliegen.

1. Versuch auf Flightradar24

Hier erfolgte bei bestem Sonnenschein das Nachtanken, ein gemütlicher Kaffee und Gespräche mit der sehr freundlichen und hilfsbereiten Türmerin. Im kühlen und klimatisierten Turm fiel nach Einholen der immer noch indifferenten Wetterinfos die Entscheidung „Wooge“ im 2. Versuch anzufliegen und pünktlich mit Ende der Mittagspause gegen 1500 Uhr dort zu landen. Sollte auch dieser Versuch nicht gelingen, dann sollte es einfach nicht sein. Mit vollen Flächentanks können wir auf jeden Fall jederzeit umdrehen und wieder auf Heimatkurs gehen.

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Wie im Grunde erwartet (aber nicht erhofft) wurden die Sichten in Richtung zum Meer wieder schlechter, zwar subjektiv nicht ganz so schlecht wie es vor Leer war und immerhin schafften wir es bis zum Jadebusen und konnten auf Höhe Wilhelmshafen einen Blick auf die ersehnte, aber leider nicht zu erreichende Nordsee werfen. Denn die Entscheidung war bereits getroffen: Umdrehen! Gerade in Seenähe, wenn die Farbkonturen von Wolken und Wasser am Horizont fliessend ineinander übergehen, ist ein Weiterflug einfach zu gefährlich und zudem die weitere Wetterentwicklung ungewiß. Irgendwie wollten wir ja auch wieder nachhause kommen. Die untere Aufnahme erfolge kurz nach der Umkehr und zeigt die Sicht auf den Jadebusen bei Wilhelmshafen in einer Flughöhe von ca. 1000 Fuß und etwa 7 km Sicht. Wenige Minuten zuvor mussten wir unsere Flughöhe auf 800 Fuß reduzieren bei Sichten um die 5 km.

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Somit brachen wir auch unseren zweiten Versuch ab, erreichten schnell wieder FL65 und binnen einer Stunde die vertraute Mittelgebirgslandschaft, wo uns bei Sonnenschein und 30 Grad Hitze die „Rentnerband“ des LSC Oeventrop mit Kaffee und Kuchen begrüßte. Es war trotzdem ein schöner Tag, den ich hier im Blog gerne wiedergeben möchte.

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Mit fliegerischen Grüßen,
Tomas Jakobs


UPDATE vom 16.08.2015:
Wie ich ein paar Tage später erfahren habe ist Christian Böhm, Fliegerkollege, Airline-Berufspilot und Autor zahlreicher Fachartikel im Aerokurier auch am gleichen Tag mit seiner Pipistrel Virus gen Norden unterwegs gewesen. Wir haben uns über die Flüge unterhalten und festgestellt, wie unterschiedlich doch Wettersituationen interpretiert werden können. So konnte er seinen Flug am gleichen Tage bis nach Helgoland fortsetzen. Den parallelen Reisebericht gibt es hier zum Nachlesen.