Learn To Fly Here!UL-Fluglehrer

Richtig starten - Teil I

Der heutige Blog bildet den ersten Teil einer zweiteiligen Serie und richtet sich an jene, die bei Starts noch ein ungutes Gefühl verspüren. Auch Umsteigern von PPL zu UL kann dieser Blog helfen, bevor aus dem Motorflug erlernte Denkweisen 1:1 auf UL übertragen werden.

Flugvorbereitung und Vorflugkontrolle vorausgesetzt, beginne ich mit einigen Tips, die eher selten zur Sprache kommen. Im Grunde gebe ich eine Anleitung zum schneller fliegen und wie immer zählt: Schlechte Tage erwischt jeder von uns. Gefährlich wird’s erst, wenn viele kleine Sünden unbemerkt zur Gewohnheit werden. In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen.


Beobachten und überlegen

Egal ob Fluggast oder Flugschüler ungeduldig warten - immer erst tief durchatmen und den Blick in Ruhe über das Vorfeld schweifen lassen. Das hilft nicht nur mögliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, wenn zum Beispiel Rundfluggäste zwischen den Maschinen Ihren Piloten suchen. Es ist die Möglichkeit festzustellen, wer von den Fliegerkollegen ebenfalls in Startvorbereitungen steckt und gleich starten möchte. Mit dieser Vorahnung kann frühzeitig eine mögliche Startreihenfolge entwickelt und gegebenenfalls auch bewusste Entscheidungen und Abweichungen von der täglichen Routine getroffen werden.

Ein Beispiel: Der direkte Start im UL hinter einer schweren Maschine mit Ihren Wirbelschleppen ist zu vermeiden. Genauso verbietet sich das unnötige Warten lassen einer mit Springern vollbeladenen Absatzmaschine, nur weil am Rollhalt die Öltemperatur noch nicht passt. Wer hier mitdenkt und sich mit Fliegerkollegen abstimmt, der fördert mit dieser Geste das faire Miteinander und sorgt für einen reibungslosen Flugbetrieb.

Stichwort Warm-Up, genauer: Das Anlassen des Motors. Ist die derzeitige Parkposition überhaupt hierfür geeignet? Es ist nicht schön, wenn unbedachte Piloten vor einem geöffneten Hangar entweder direkt mit Anlassen oder später mit Wegdrehen und Abrollen in Richtung Piste, Staub und Dreck rein blasen. Vor Jahren habe ich in Lützellinden solchen Kollegen nach der Landung einen Besen in die Hand gedrückt. Viele haben diesen Wink verstanden, einige wenige nicht.

Gleiches gilt auch für Stellplätze direkt vor der Terrasse eines gut besuchten Flugplatz-Restaurant. Hier kommt das Argument Lärm ins Spiel. Es spricht nichts dagegen nach dem Anlassen erst ein Stück weg zu rollen und dort mit weiteren Checks und dem Warm-Up fortzufahren. Ausnahmen bestätigen hier wie oft die Regel: Wer ein schönes UL mit Verner Sternmotor fliegt, unterscheidet sich vom 0815-Rotax Flieger. Das eine ist elegante Musik, das andere einfach nur Krach.

Ein Tip zum Verbessern der Funkkompetenz und -disziplin: Vor dem Einsteigen auf startende oder landende Luftteilnehmer schauen. Alternativ gehen auch Windsack, Landereiter oder die gelben Hinweisschilder am Turm. Das Wissen um die Startrichtung erspart einem so seltsame Funksprüche auf unkontrollierten Plätzen wie „Erbitte Startinformationen“. Wer sowas durch den Äther funkt und als Fluglehrer lehrt, der möge kurz in sich gehen und über seinen ganz persönlichen Beitrag in der Diskussion „Fliegen ohne Flugleiter“ nachdenken.


Starttechnik

Folgende Faktoren beeinflussen die Frage nach der Starttechnik:

  • Gewicht und Schwerpunktlange
  • Motorleistung
  • Wind und Dichtehöhe
  • Startbahnlänge und - beschaffenheit
  • Hindernisfreiheit/ Abflugwege

Wir betrachten im heutigen Blog zunächst den Normalstart. Ein Start unter unkritischen Umständen auf langen, asphaltierten Pisten gegen den Wind. Auf Kurzstart-, Rückenwind- und Seitenwindtechniken sowie Starts von Gras- und Schotterpisten wird im zweiten Teil eingegangen.

Egal mit welche Starttechnik gestartet wird - die Wahl übt maßgeblichen Einfluß auf Notfälle aus. Wer beispielsweise mit einer Kurzstarttechnik auf einer kilometerlangen Piste auf den ersten Metern steil gen Himmel startet, der nimmt eine geringere Reaktionszeit und weniger Handlungsoptionen im Falle eines Motorausfalles in Kauf. Das oft vorgebrachte Argument dann über mehr Höhe zu verfügen ist ein klassischer Denkfehler. Energetisch betrachtet sprechen wir von zwei nahezu identischen Zuständen: Hoch aber langsam vs. tief und schnell. Wer bei Motorausfall erst auf eine bestimmte Geschwindigkeit beschleunigen muß, kann das nur über die Höhe. Warum also nicht gleich flacher und mit ausreichenden Speed-Reserve steigen?


Notfall-Briefing

Die mentale Vorbereitung auf einen Notfall ist die halbe Miete. Die andere Hälfte kommt mit dem Verfestigen und Trainieren von Notfall- oder Abnormal-Procedures. Wie sieht es um den Flugplatz herum aus, wie reagiere ich am besten wenn der Motor steht oder heimtückischer: Wenn der Motor weiterläuft aber seine Startleistung nicht erbringt? Hier gilt es, alle Optionen vorher auf den Tisch zu legen und feste Abbruch- oder Entscheidungskriterien zu setzen. Die Ursache tut zunächst nichts zur Sache. Immer die Maschine fliegen! Und das funktioniert auch in 50 Meter AGL mit aufgegangenen Kabinentüren oder umherpolternden Tankdeckeln.

Pauschale Lehrbuch-Aussagen und theoretische Verfahrensvorschläge helfen wenig, wenn man von einer Notsituation überwältigt wird. Und wie oft passiert es, daß eine Notlage gar nicht als solche erkannt wird? Nur wer Risikoabwägungen und Entscheidungen mental vorbereitet und getroffen hat, der kann im Notfall schneller und präziser handeln.

Häufig höre ich die Entschuldigung „Dafür gibt es doch ein Rettungssystem“. Dumm gelaufen, wenn für die beiden unfallträchtigsten Flugmanöver - Start und Landung - ein Rettungssystem in Bodennähe keine Hilfe darstellt.


Seitenruder

Schon aufgefallen? Es gibt in der UL Fliegerei ein unerklärliches Phänomen: Das Gras links von der Piste ist für uns Piloten attraktiver wie das Gras rechts. Sämtliche Versuche zur Orientierung wie zum Beispiel diese komische weisse Linie in der Mitte einer Piste können nur wenig bewirken. Wer beim Beschleunigen und Abheben vergisst mit dem Seitenruder rechts auszugleichen, der findet sich an oder über dem saftigen linken Gras wieder.


Klappen-Einstellungen

Hier wird wohl in Unkenntnis am meisten gesündigt. Zunächst benötigt kaum ein Kleinflugzeug zum Start seine Klappen. Ausgefahrene Klappen verkürzen geringfügig die Startrollstrecke, verschlechtern aber spürbar Steigraten und Höhengewinn. Eine andere Sache ist es, wenn von kurzen Plätzen, mit Einziehfahrwerk oder in besondern Betriebsarten (z.B. F-Schlepp) gestartet wird. Auch bei Seitenwindstarts helfen Klappen zuerst schnell vom Boden wegzukommen. Beim Starten von einer asphaltierten und hinreichend langen Piste besteht jedoch kein Grund Klappen zu setzen - sofern das Betriebshandbuch des Musters explizit nichts Gegenteiliges sagt.

Wer jetzt Angst um seine Golf-Caddy Bereifung am UL hat und meint ohne Klappen würde er viel zu schnell rollen, dem sei versichert: Ich habe noch keinen einzigen Reifen aus diesem Grund platzen sehen. Wer nicht gerade im Startlauf seinen Flieger tief in den Asphalt drückt, hat bereits ab 30-40 km/h hinreichenden Auftrieb, der die Bereifung entlastet. Weitaus gefährlicher kann das Bugradflattern werden, dazu im zweiten Teil mehr.


Immer Vollgas

Was bei den Klappen beginnt wirkt sich direkt auf die nächste Unsitte aus: Dem Herausnehmen von Leistung kurz nach dem Abheben. Das mag bei einigen wenigen Mustern richtig sein, wo ein Verstellpropeller dieses für eine empfohlene Steigleistung erforderlich macht. Bei der überwiegenden Anzahl an Fix-Prop ULs ist es eine Sünde, die - einmal zur Gewohnheit geworden - ein hohes Unfallpotential birgt. Warum freiwillig in der kritischen Startphase sich der wichtigsten Ressource berauben? Häufig wird dies aus der Überlegung heraus gemacht, nicht zu schnell mit teilweise ausgefahrenen Klappen zu fliegen. Anstelle rechtzeitig ab Sicherheitshöhe die Klappen einzufahren - oder gleich ohne Klappen zu starten - wird lieber die Motorleistung reduziert. Eine fragwürdige Risikoabwägung.


Flacher steigen, nicht Andrücken

Wer hat jemals einen Airliner beobachten können, der nach dem Abheben seinen Jumbo wieder runter an die Piste andrückt um so Fahrt aufzuholen? Niemand! Es ist ein falsches Verfahren und kann genauso wie die Sache mit der Motorleistung zur gefährlichen Angewohnheit werden. Nicht das Andrücken sondern ein flacheres Steigen unter Beibehaltung eines „positive climb“ führt zum erwünschten Ergebnis: Der stabile Steigflug. Ein künstlicher Horizont oder EFIS kann hier sinnvoll als Instrument eingesetzt werden, wenn die Sicht nach vorne zu sehr eingeschränkt sein sollte.


Steiggeschwindigkeit

Während Vy die beste Steigrate (best rate of climb) wiedergibt, steht die langsamere Vx für den besten Steigwinkel (best angle of climb). Im Normalfall ist die Vy mit entsprechenden Aufschlägen erstrebenswert. Eine Kombination aus beiden ist auch denkbar wenn Platz- oder Hindernissituation dies erforderlich machen. Wer jetzt nach eindeutigen Angaben vom meist geflogenen UL Muster in Deutschland sucht wird enttäuscht. Eine Angabe für Vy in den technischen Daten einer C42 fehlt gänzlich. Erst etwas weiter im Kapitel 4.2 „Start und Steigflug“ erfährt der aufmerksame Leser, wie ihm 110 km/h als Steiggeschwindigkeit Nahe gelegt werden.

Bei Vx scheiden sich bei Comco im wörtlichen Sinne die Geister. Für identische Muster gelten unterschiedliche Angaben. Während 2013 für eine C42B noch 95 km/h galten, sind es 2014 bereits 100 km/h. Das aber nur in Deutschland! Sobald eine C42 in der Schweiz oder in Belgien fliegt, gelten für diese die zuvor angegebenen 95 km/h. Hoffentlich weiß eine C42B immer, in welchem Land sie fliegt.
vxvy

Handbuchwerte mögen sinnvoll für den Schreibtisch sein, in der Praxis - und erst recht in Notsituation - können sie nutzlos werden. Wer mit einem extremen Steigwinkel schnell aber langsam bei nur 95 km/h oder weniger steigt, der braucht sich nicht zu wundern wenn er sich bei Windböen oder Motorausfall plötzlich im Sackflug wiederfindet. Die Reaktionszeit zum Nachdrücken ist selbst für erfahrene Piloten sehr kurz.

Meine Empfehlung für einen Normalstart mit einer C42 lautet von daher lieber mit Aufschlag bei etwa 120-130 km/h steigen, da ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite.


Böen und Seitenwind

Ich habe das Glück an einem Segelflugplatz im Sauerland zu fliegen, der durchaus als anspruchsvoll gilt. Oeventrop liegt in Tallage direkt neben der Ruhr und ist von deutlich höheren Bergen und Waldkanten umgeben. Im Gegenanflug ist der Platz durch den Friedhofsberg nicht einsehbar. Und auch wenn zwei Windsäcke jeweils am Anfang und Ende der Bahn den Wind anzeigen, so kann es vorkommen, daß einer davon Gegenwind- und der andere Rückenwind signalisiert wenn der Südwind um den Friedhofsberg herum von zwei Seiten ins Tal strömt. Dazu mehr im zweiten Teil.

Wer an solchen Tagen an der falschen Hangseite fliegt hat kaum Chancen den Lees und Rotoren zu entgehen. In Bruchteilen einer Sekunde liegen 20-30 km/h weniger am Staurohr an. Das braucht niemand und am aller wenigsten im Steigflug kurz nach dem Abheben.

Das geringe Gewicht eines ULs im Vergleich zu deutlich schwereren Motorfliegern oder auch doppelsitzigen Segelflugzeugen erweist sich hier zusätzlich nachteilig. Energie kann kaum mitgeführt werden und ist bei einer plötzlichen Böe oder gar Motorausfall schneller abgebaut. Einzig probates Mittel: Geschwindigkeit.


Fortsetzung folgt im zweiten Teil.
Bis dahin viel Spaß und fliegt safe!



UPDATE: 26.10.2016: Hier geht’s zum Zweiten Teil...